„Tätigkeiten der Daseinsvorsorge müssen unternehmerisch angepackt werden“
Mit dem Kommunalunternehmen wurde im Jahr 1998 eine neue Rechtsform geschaffen – mit positiven Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Würzburg. Mehr dazu im Interview.
„Tätigkeiten der Daseinsvorsorge müssen unternehmerisch angepackt werden“
Mit dem Kommunalunternehmen wurde im Jahr 1998 eine neue Rechtsform geschaffen – mit positiven Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Würzburg. Mehr dazu im Interview.
Prof. Dr. Schraml, was macht das Kommunalunternehmen des Landkreises Würzburg – das KU – genau? Prof. Dr. Alexander Schraml: Das KU ist vor 25 Jahren mit wenigen Tätigkeiten gestartet: mit einem Kreiskrankenhaus in Ochsenfurt, mit zwei Pflegeheimen in Würzburg und in Aub und mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), damals noch unter dem Namen „APG“. Seitdem haben sich unsere Tätigkeiten stetig erweitert, unter anderem durch Beschlüsse des Kreistags und unseres Verwaltungsrats. Heute betreiben wir an der Main-Klinik auch ein Medizinisches Versorgungszentrum, führen acht Senioreneinrichtungen mit Service-Wohnungen, sind zuständig für die Abfallwirtschaft und einen immer mehr an Bedeutung gewinnenden ÖPNV. Seit Kurzem sind wir auch kaufmännisch und technisch verantwortlich für die Wasserversorgung im westlichen Landkreis Würzburg. Frau von Vietinghoff-Scheel, welche konkreten Verbesserungen brachte die Gründung des KU? Eva von Vietinghoff-Scheel: Ein Beispiel, das Ihre Frage gut beantwortet, ist das team orange, unser Abfallwirtschaftsbetrieb. Hier leisten wir so gut wie alles selbst, was nah am Bürger ist – mit eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Zum Vergleich: Viele Landkreise in Bayern schreiben bestimmte Tätigkeiten ihrer Abfallwirtschaftsbetriebe öffentlich aus und überlassen sie privaten Dienstleistern. Wir gehen einen anderen Weg, indem wir versuchen, so viel wie möglich selbst zu machen. Damit können wir ein hohes Niveau aufrechterhalten und sehr schnell reagieren. Bei Kleinigkeiten etwa, wenn wir merken, dass irgendwo eine Tonne stehen geblieben ist. Aber auch bei großen Problemen, wenn wir beispielsweise einen systematischen Fehler feststellen. Unsere Selbstständigkeit erspart uns auch die vertraglich gebundene Abhängigkeit von privaten Dienstleistern. Dieses Vorgehen hat sich sehr bewährt. Prof. Dr. Schraml, wie war die Daseinsvorsorge vor der Gründung des KU geregelt? Prof. Dr. Alexander Schraml: Sie war aufgegliedert in Abteilungen und Sachgebiete in einem Amt. Man hatte seinerzeit noch nicht erkannt, dass es Tätigkeiten der Daseinsvorsorge gibt, die man nicht behördlich verwalten, sondern unternehmerisch anpacken muss. Bitte nicht falsch verstehen, das meine ich nicht negativ. Erst nach und nach etablierte sich hier eine andere Denkweise. In der Folge hat der Freistaat Bayern mit dem Kommunalunternehmen als Anstalt des öffentlichen Rechts eine neue Rechtsfigur geschaffen, um genau diesen Anforderungen adäquat zu begegnen. Das neue Unternehmen blieb zwar unter kommunaler Hoheit und wurde als öffentliche Einrichtung gegründet, aber es wurden auch mehr unternehmerische Handlungsspielräume gewährt, was sich als sehr erfolgreiche Richtungsentscheidung erwiesen hat. Herr Eberth, welche Aussagen hören Sie aus der Bevölkerung, wenn es um die Arbeit des KU geht? Thomas Eberth: Man muss zunächst einmal feststellen: Viele Leistungen, die vom KU erbracht werden, werden gar nicht bewusst wahrgenommen. Warum? Weil sie gut laufen. Dieses reibungslose Wirken kann man bei jeder Abteilung des KU beobachten. Ich möchte sogar behaupten, dass es immer besser läuft. Blicken wir auf den ÖPNV: Vor 25 Jahren verbuchte man unter seinen Aufgaben hauptsächlich die Beförderung von Schülerinnen und Schülern. Heute ist der ÖPNV eine Dienstleistung für die Bürgerinnen und Bürger, auch im Sinne des Klimawandels, einer neuen Mobilität. Ein solider Standortfaktor für Wirtschaftsunternehmen und Kommunen. Das kann man auch von allen anderen Abteilungen behaupten. Wir dürfen also zurecht auf die Leistungen unseres KU stolz sein. Klar weiß ich auch, dass nicht immer alles rund läuft – etwa wenn der Bus fünf Minuten zu spät kommt oder wenn die Mülltonne nicht geleert wird, das habe ich selbst schon erlebt. Da höre ich dann auch die eine oder andere kritische Stimme. Das gehört dazu und ist auch völlig normal. Insgesamt aber, glaube ich, ist die Stimmung in der Bevölkerung sehr, sehr positiv, denn – und das ist das Entscheidende – es läuft.
Landrat Thomas Eberth
KU-Vorstand Prof. Dr. Alexander Schraml
KU-Vorständin Eva von Vietinghoff-Scheel
Prof. Dr. Schraml, ohne wen läuft denn nichts im KU? Prof. Dr. Alexander Schraml: Ohne unsere Beschäftigten. Wir betreiben mit der Main-Klinik, dem team orange oder den Senioreneinrichtungen sehr personalintensive Einrichtungen. Ohne Beschäftigte, die mit Engagement und Leidenschaft bei der Sache sind, ginge nichts. Ich denke auch an unsere Betriebsratsvorsitzenden und den Personalratsvorsitzenden, die eine Scharnierposition einnehmen zwischen Vorstand, Geschäftsführung und dem Personal. Nach ihnen kommt lange Zeit erst einmal niemand. Dann ist natürlich auch unser Eigentümer wichtig, der Kreistag, gefolgt vom Verwaltungsrat. Was ich sagen möchte: Aus meiner Sicht sind die Menschen am wichtigsten, die hier arbeiten – mit Freude, Ehrgefühl und Sinnhaftigkeit. Frau von Vietinghoff-Scheel, welche politischen Entwicklungen bereiten Ihnen momentan Sorgen? Eva von Vietinghoff-Scheel: Die fortschreitende Bürokratisierung. Ich behaupte, das kann jede Bürgerin und jeder Bürger aus eigener Erfahrung bestätigen. Wir müssen wirklich dahin kommen, dass wir die Selbstverwaltung abbauen, um mehr Raum und Zeit zu haben für die wichtigen Dinge in unserem beruflichen Alltag – also um zu gestalten, statt zu verwalten. Die öffentlichen Einrichtungen sind für die Bürgerinnen und Bürger da. Und diesen ist es eben – zurecht – in allererster Linie wichtig, dass die Mülltonnen regelmäßig geleert werden, dass sauberes Wasser aus dem Hahn fließt, dass der Bus pünktlich kommt und dass im Alter eine gute Betreuung gewährleistet ist. Die EU macht es uns dabei aber nicht immer leicht. In den nächsten Jahren werden die bürokratischen Aufgaben sogar noch zunehmen. Das sehe ich kritisch, denn ich beobachte, wie immer mehr Arbeitskraft an diese Aufgaben gebunden wird. Gleichzeitig vermisse ich eine klare Marschrichtung, die uns Ziele vorgibt, die uns gesamtgesellschaftlich voranbringt. Stattdessen liegt der Fokus viel zu oft darauf, Berichte anfertigen zu müssen – oder mehr noch: schriftlich sich rechtfertigen zu müssen, wie und warum man eine Tätigkeit ausübt oder eben nicht. Das nimmt uns Ressourcen und Produktivität. Zu viele Menschen bei uns arbeiten nicht am Bett, an der Tonne, am Lenkrad. Zu viele Menschen arbeiten am Schreibtisch. Herr Eberth, bleiben wir beim Bürger: Er fordert mehr Mitspracherecht bei politischen Entscheidungen. Wie ist die Situation im Landkreis Würzburg, auch im Hinblick auf das KU? Thomas Eberth: Ich glaube tatsächlich, dass die Bürgerinnen und Bürger sowohl bei kommunalpolitischen Themen als auch beim KU so viel Mitspracherecht haben wie noch nie. Ich möchte gerne ein Beispiel nennen, der ÖPNV ist hierfür gut geeignet. Jeder fordert mehr Mitspracherecht beim ÖPNV – doch wer bringt sich wirklich ein und nutzt die Partizipationsmöglichkeiten? Wenn wir einen Linienkorridor überarbeiten, beziehen wir auch immer die betroffenen Menschen mit ein. Wir machen eine Bürgerbefragung, wir veranstalten einen Workshop, wir sind offen für Wünsche zum Fahrplan, zur Busausstattung. Wir lassen den Bürger teilhaben und an der Gestaltung mitwirken. Am Ende des Tages muss die Politik priorisieren und sagen: Das können wir umsetzen oder nicht, sei es aus finanziellen oder aus betriebstechnischen Gründen, etwa einem sinnvollen Fahrzeugumlauf, und vielem mehr. Insgesamt sind wir sowohl beim Landratsamt als auch beim KU sehr gut darin, die Bürgerinnen und Bürger anzuhören und mitzunehmen, mehr noch: sie als wichtigste Impulsgeber zu verstehen. Prof. Dr. Schraml, Sie werden am 1. April nach 25 Jahren aus dem Amt des Vorstands ausscheiden. Mit welchen Gefühlen geben Sie die Verantwortung ab? Prof. Dr. Alexander Schraml: Mit hervorragenden. Mit Frau von Vietinghoff-Scheel steht mir bereits seit geraumer Zeit eine ausgezeichnete Kollegin zur Seite, die das Unternehmen als Vorständin weiterhin mit Bravour leiten wird. Zudem haben wir in zweiter Reihe verantwortungsbewusste Abteilungsleiterinnen und -leiter sowie unsere Beschäftigten, die ihre Aufgaben mit viel Liebe erfüllen. Ich mache mir keine Sorgen um die erfolgreiche Zukunft des KU. Frau von Vietinghoff-Scheel, welche Aufgaben stehen als Nächstes an? Eva von Vietinghoff-Scheel: Eine große Aufgabe wird sein, für die Main-Klinik und für die Senioreneinrichtungen ausreichend Pflegekräfte zu finden. Wir werden hierfür internationaler agieren und noch mehr Menschen aus dem Ausland zu uns holen müssen, damit wir die gute Pflege, die wir leisten, auch in Zukunft gewährleisten können. Hierbei hilft uns auch unsere neue Pflegeschule in Ochsenfurt sehr. Dem Fachkräftemangel zu begegnen, sehe ich als meine größte Aufgabe. Denn das A und O sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Nur mit ihnen können wir die grundlegende Versorgung der Bevölkerung gewährleisten.