Zwei, die was bewegen
Als Behindertenbeauftragter des Landkreises Würzburg sieht sich Ernst Joßberger als Ansprechpartner für Menschen mit Behinderung auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben. Menschen wie Florian Grünberg, der zeigt, wie gut das gelingen kann.
Jeden Morgen macht sich der 22-jährige Florian Grünberg wie viele andere Menschen auf den Weg zur Arbeit. Dafür nimmt er den Bus, der ihn von Güntersleben in die Stadt bringt. Eigentlich keine große Sache, denkt man. Doch für Florian Grünberg war das nicht immer so. Er sitzt im Rollstuhl und sein Weg in die Innenstadt, wo er arbeitet oder sich gerne mit Freunden trifft, war nicht immer so „leicht“, wie er es heute ist. „Ich hatte viele Barrieren zu überwinden, Gehsteige oder Stufen, im Weg parkende Autos und leider auch den einen oder anderen Busfahrer, der mich nicht mitgenommen hat“, erzählt uns Florian Grünberg. Dass sein Weg heute komplett barrierefrei ist, dafür hat sich Florian Grünberg selbst, gemeinsam mit seinen Eltern, eingesetzt – und prompte Unterstützung erhalten: von Ernst Joßberger, stellvertretender Landrat und Kreisrat, der heute als Behindertenbeauftragter für den Landkreis Würzburg arbeitet.


Minimales Ziel ist, in jeder Gemeinde mindestens eine Haltestelle barrierefrei auszubauen.
Knapp 25 % der Haltestellen sind bereits barrierefrei ausgebaut.
Aber der Reihe nach. Als sich Florian Grünberg 2016 gemeinsam mit seinen Eltern mit seinem Anliegen an die Gemeinde Güntersleben wandte, war Ernst Joßberger dort noch als Bürgermeister im Amt. „So eine schnelle und tolle Reaktion hatten wir vorher noch nie erlebt“, schwärmt Florians Mutter Ellen Grünberg heute noch. Der Bürgermeister „schnappte“ sich seinen Bauhof-Leiter und gemeinsam mit Florian Grünberg gingen sie den Weg zur Bushaltestelle ab. Ernst Joßberger leitete alles Notwendige in die Wege und nur kurze Zeit später waren sämtliche Stufen und Gehsteige abgesenkt und der Weg für Florians Rollstuhl frei. Und nicht nur das: „Einige Zeit später – zu diesem Zeitpunkt war ich schon nicht mehr Bürgermeister von Güntersleben, sondern Behindertenbeauftragter für den Landkreis Würzburg – kam Florian erneut auf mich zu“, berichtet Ernst Joßberger. Als er von dem jungen Mann erfuhr, dass Florians Eltern jeden Tag mit zur Haltestelle kommen mussten, da einige Busfahrer leider die Klapprampe außen am Bus nicht herunterklappen wollten und Busfahrer sich auch in anderen Situationen leider alles andere als hilfsbereit gezeigt hatten, wurde er erneut aktiv. Joßberger organisierte einen runden Tisch, zu dem er Florian, seine Eltern, das verantwortliche Busunternehmen und die APG als Auftraggeber einlud. Hier konnte Florian sein Anliegen schildern. Die Verantwortlichen des Busunternehmens hörten zu und versprachen, umgehend Mitarbeiterschulungen durchzuführen. Seitdem wird auch dieses Problem aktiv angepackt.
„Man kann von niemandem, der nicht im Rollstuhl sitzt, erwarten, dass er weiß, welche Barrieren sich Rollstuhlfahrern tagtäglich in den Weg stellen. Deshalb weise ich gerne höflich und sachlich darauf hin“, erklärt uns der junge Mann, der auf diese Weise schon viel erreicht hat. 2014 wies er mit einem Leserbrief an die Main-Post auf den Umstand hin, dass es ihm als Rollstuhlfahrer leider nicht möglich sei, das Theaterstück „Ziemlich beste Freunde“ im Würzburger Chambinzky zu besuchen – ein Stück mit einem rollstuhlfahrenden Hauptdarsteller. „Ein Stück über Behinderte ohne Behinderte?“, fragte er damals zu Recht. Die Main-Post griff diesen kleinen Schubser auf und startete eine Spendenaktion. Es dauerte nur ein halbes Jahr, bis mit über 10.000 Euro Spenden ein rollstuhlgerechter Aufzug gebaut werden konnte. Ob im Chambinzky-Fall oder auf seinem Arbeitsweg – Florian ist dankbar für jede Hilfe, die er bekommt – sei es von spendenwilligen Lesern oder einem Bürgermeister wie Ernst Joßberger, der schnell und gezielt handelt.
| VOM BÜRGERMEISTER ZUM BEHINDERTENBEAUFTRAGTEN
Heute, nach seiner Zeit als Bürgermeister, hat der gelernte Pädagoge, einstige Förderschullehrer und Sonderschulkonrektor Ernst Joßberger zu seinem Beruf gemacht, was ihm große Freude bereitet: den Einsatz für ein selbstbestimmtes und eigenständiges Leben für Menschen mit Behinderung im Landkreis Würzburg. Als Behindertenbeauftragter kümmert er sich ehrenamtlich tagtäglich um diese Thematik. „Barrierefreiheit spielt natürlich eine wichtige Rolle“, so Joßberger. „Es kann nicht sein, dass ein Rollstuhlfahrer auf die Busfahrer angewiesen ist, wenn diese spontan entscheiden, ob sie ihn mitnehmen oder nicht.“ Er selbst sieht sich als Ansprechpartner für die Betroffenen – und sieht die gesellschaftspolitische Aufgabe dieses Amts, zu deren Lösung auf kommunaler Ebene auch im Landkreis Würzburg beigetragen werden kann und muss.
Das Bayerische Behindertengleichstellungsgesetz von 2003 bildet die Grundlage seiner Arbeit. „Ich unterstütze den Landkreis und seine Gemeinden bei der Umsetzung der Ziele dieses Gesetzes und sorge dafür, dass die besonderen Belange behinderter Frauen und Männer berücksichtigt werden. Zum Beispiel in Form von Stellungnahmen zu allen öffentlichen Neu-, Umbau- und Sanierungsmaßnahmen oder mit konkreten Verbesserungen im barrierefreien öffentlichen Personennahverkehr, sowohl bei den Fahrzeugen als auch bei Haltestellen.“ Inklusion leben und möglich machen – das ist ein weiterer Schwerpunkt in Ernst Joßbergers Aufgabenfeldern. „Ich informiere und unterstütze alle Beteiligten, Inklusion zu fördern und voranzubringen, ob im Bereich von Kindertagesstätten, Schulen oder auch im Berufsleben“, so Joßberger.
Die Eingliederung von Menschen mit Behinderung in Gesellschaft und Beruf und die aktive Verbreitung des Inklusionsgedankens im politischen, öffentlichen und kulturellen Bereich hat sich Ernst Joßberger auf die Fahne geschrieben. Dazu hält er engen Kontakt mit Menschen mit Behinderung, mit den Verbänden und Organisationen. „Nur so, durch Menschen wie Florian, erfahre ich, welche Probleme, Erwartungen und Ansprüche sie haben. Und ich freue mich jedes Mal darüber, helfen zu können.“
Florian Grünberg, seine Eltern und Ernst Joßberger haben es mit viel Initiative gemeinsam geschafft, dass der 22-Jährige heute seinen Weg zwischen Güntersleben und Würzburg komplett barrierefrei zurücklegen kann.
Weitere Infos
Der Behindertenbeauftragte Ernst Joßberger ist montags von 14 bis 16 Uhr und donnerstags von 10 bis 12 Uhr zu erreichen.
Bitte vereinbaren Sie für persönliche Beratungen im Landratsamt (Raum 354) einen Termin unter Telefon 0931 8003-5175, Mail: behindertenbeauftragter@lra-wue.bayern.de