44 Einblicke in unsere Geschichte
Ein politischer Wissenschaftler
Wilhelm Joseph Behr (1775 – 1851), Gründer der Würzburger Sparkasse
Er war brillanter Jurist und Festungshäftling, fränkischer Patriot und bayerischer Staatsfeind: Wilhelm Joseph Behrs Karriere verlief zunächst steil. Schon mit 23 Jahren war der Beamtensohn Doktor der Philosophie und der Jurisprudenz. 1799 berief ihn die Würzburger Universität zum Professor für Rechtswissenschaft. Seit 1818 trug er den Titel eines Hofrats und war ab 1819 Prorektor. In Würzburg wurde er Ehrenbürger und 1821 Erster Bürgermeister. Im Jahr 1822 gründete er die Sparkasse in Würzburg „in der Erwägung wie ratsam und selbst notwendig es ist, vorzüglich Dienstboten und andere unbemittelte Personen zur Sparsamkeit aufzumuntern.“ Dem König war der beliebte und auf eine konstitutionelle Monarchie drängende Bürgermeister jedoch ein Dorn im Auge. Wegen Majestätsbeleidigung und versuchten Hochverrats verbrachte er zehn Jahre im Gefängnis und in der Verbannung. Erst 1847 wurde er begnadigt und 1848 rehabilitiert. Für wenige Monate war er noch Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung. An Wilhelm Joseph Behr erinnern die Würzburger Behr-Straße am Landratsamt, die Behr-Halle im Rathaus und eine Büste in der Münchner Ruhmeshalle.
Gründungswelle für die kleinen Leute
Zwischen 1836 und 1845 entstanden um Würzburg ein knappes Dutzend Sparkassen
Kriege und Hungersnöte hatten den Beginn des 19. Jahrhunderts geprägt. Um den Armen zu helfen, wurden Städte und Gemeinden aufgefordert, „nach Umständen für die Bildung von Sparkassen für die Zeiten des Alters und der Noth, und für die Ausmittlung von Leihcassen zu sorgen, besonders aber dahin zu trachten, dass für Handwerksgesellen und Dienstboten ein Sicherungsverband auf Fälle der Krankheit mittels kleiner Beträge von ihrem Lohne unter Mitwirkung der Meister und Dienstherren zustande komme.“ Als erste Stadt hatte Nürnberg 1821 eine Satzung erarbeitet und eine Sparkasse eröffnet. Würzburg war 1822 nach Augsburg die dritte bayerische Stadt mit Sparkasse. 1836 folgte Marktbreit, danach rollte die Gründungwelle weiter: 1839 eröffneten die Sparkassen Gemünden und Arnstein sowie die Distriktsparkasse Marktsteft. Die Stadtsparkasse Kitzingen und die Distriktsparkasse Dettelbach folgten 1840, die Distriktsparkasse Ochsenfurt 1841, die Sparkassen Lohr und Karlstadt 1842. Die Distriktsparkasse Stadtprozelten entstand 1845. Mit der Sparkasse Marktheidenfeld war 1845 ein Großteil aller Einrichtungen gegründet, die später in der Sparkasse Mainfranken Würzburg aufgehen sollten.
Lieber in bar
Erst seit 1915 kamen zu den Sparkonten allmählich auch Scheck- und Girokonten
Obwohl Lohnempfänger und Gewerbetreibende schon seit 1908 Scheckkonten eröffnen durften, beugten sich die Sparkassen erst zu Beginn des Ersten Weltkriegs dem Druck von oben. Der Bargeldumlauf sollte so weit wie möglich beschränkt werden. Der Start verlief mühsam. Zu den ersten, die 1915 in Würzburg Schecks verwendeten, gehörten vier Mühlen und eine Mehlgroßhandlung. Ende 1918 verteilte die Stadt gar ein „Merkblatt zur Förderung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs“ an Behörden, Schulen, Firmen und Geschäfte. In Würzburg und Umgebung standen kleine Scheine und Münzen noch lange hoch im Kurs.
Betriebsausflug und Tresorwache
Die Erinnerungen eines Stadtamtmanns
Den ersten Betriebsausflug leistete sich die Sparkasse Würzburg im Sommer 1920. An einem Sonntag und zu Fuß, über Rimpar durch den Gramschatzer Wald bis Erbshausen. Nach Schweinefleisch, Sauerkraut und Erbsenbrei nahmen sie in Bergtheim den Zug zurück. Überliefert sind solche Höhepunkte des Arbeitsjahrs in den 1961 niedergeschriebenen Erinnerungen eines Stadtamtmanns. Dank dieser Aufzeichnungen wissen wir, dass Anfang der Zwanzigerjahre die erste Additionsmaschine mit Kurbelantrieb die Arbeit erleichterte, und 1923, auf dem Höhepunkt der Inflation, Stunden vergingen mit dem Zählen der Milliardensummen. Der Stadtamtmann war dabei, als 1931 nach dem Schwarzen Freitag panische Kunden ihre Konten leerten. Und er nahm wahr, wie sich die Belegschaft zunehmend politisierte – und wie zur „Machtübernahme“ am 30. Januar 1933 die Abhebungen vorsorglich eingeschränkt wurden.
Seit fast 100 Jahren eine Institution: Der Weltspartag
Seit 1925 ermuntern die unterfränkischen Sparkassen zum Füttern des Sparschweins
Hunderte Milliarden Euro haben die Deutschen derzeit auf Sparkonten zurückgelegt. Und mehr als jeder Zweite besitzt eine Spardose. Ob sich das die Schöpfer des Weltspartags hätten träumen lassen? 1924 beschlossen die Mitglieder des Weltinstituts der Sparkassen auf dem ersten Internationalen Sparkassenkongress in Mailand, ab 1925 jährlich am 31. Oktober den „World Thrift Day“ stattfinden zu lassen. Die Deutschen machten begeistert mit. Das jährliche Leeren der Sparschweine und -büchsen am Sparkassenschalter gehört zum kollektiven Gedächtnis wie Laternenumzug und Bundesjugendspiele. Auch in Würzburg wurde dafür groß geworben: „Sparsam sein, sich selber helfen“, mahnte 1954 ein meterlanges Banner in der Innenstadt. Im Stadtteil Keesburg mähten die Sparkassenangestellten in den Sechzigern sogar „Weltspartag“ in den Rasen neben der Zweigstelle. In Unterfranken wetteiferten Schulklassen um die höchste Sparquote und legten so in fünf Jahren rund 700.000 Mark zurück. 1963 kam der Zweigstellenleiter persönlich in die Zellerauer Knabenklasse, um die Sparbücher zu stempeln. 1964 – den 40. Weltspartag – feierten alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter samt Verwaltungsrat in der Schalterhalle. In der Wirtschaftswunderzeit war das Ersparte bisweilen mühsam abgezweigtes Geld. Heute fließen die Budgets für pandemiebedingt ausgefallene Reisen und Konzertbesuche in die Rücklagen.
Das kurze Leben des Fischerbaus
1929 bezog die Sparkasse erstmals ein eigenes Gebäude
Seit ihrer Gründung war die Städtische Sparkasse zunächst in Räumen des Rathauses, dann in der Karmelitenstraße und in der Domstraße untergekommen. Als „unpraktisch und einer Sparkasse von der Bedeutung Würzburgs nicht mehr entsprechend“ bezeichnete 1927 eine Denkschrift die Räume. Noch im selben Jahr sprengten und schaufelten Arbeiter eine Baugrube am Neumünsterplatz. Die Grundsteinlegung war im April 1928 und schon im September war das Dach mit Schiefer gedeckt. In dem nach seinem Architekten, dem aus Franken stammenden Münchner Geheimrat Prof. Dr. Theodor Fischer benannten „Fischerbau“ beanspruchte die Sparkasse 682 Quadratmeter Nutzfläche. Außerdem beherbergten die vier Stockwerke eine Transformatorenstation, eine Bedürfnisanstalt, Läden, Büros, Hausmeisterräume und weitere Wohnungen. Bei Luftangriffen im Februar 1945 wurden Süd- und Westflügel zerstört. Die Sparkasse betrieb ab Juni 1946 ein Provisorium im beschädigten Ostflügel. Am 14. April 1951 eröffnete die Hauptstelle im wiederaufgebauten Kürschnerhof.