44 Einblicke in unsere Geschichte
Aktien für das Volk
1961 erlebten auch die Würzburger Sparkassen einen Run auf VW-Aktien
Lange Schlangen bildeten sich am 16. Januar 1961 vor den Schaltern der regionalen Sparkassen. Der Grund war ungewöhnlich für Kunden, die sich gerade an die Vorzüge eines Girokontos gewöhnten: Die Zeichnungsfrist für Volkswagen-Aktien hatte begonnen. Wirtschaftsminister Ludwig Erhard hatte mit dem VW-Gesetz dafür gesorgt, dass die bislang staatlichen Anteile vorzugsweise in den Streubesitz von Geringverdienern gelangten. So mussten die künftigen Aktionäre beispielsweise belegen, dass sie im Vorjahr höchstens 8.000 Mark verdient hatten. Die nächste Chance, vom Kleinsparer zum Aktionär aufzurücken bot sich 1965, als ehemals staatliche Anteile am Energieversorger VEBA ebenfalls als Volksaktie ausgegeben wurden. Um Volksaktien wurde es dann bis zum Börsengang der Telekom still. Dennoch wuchs die Zahl der Anleger stetig. Für die stellte die Stadtsparkasse 1983 eigens ein Terminal in der Schalterhalle in der Hofstraße auf. Von 5 bis 23 Uhr waren damit die Kurse von mehr als 100.000 Wertpapiertiteln abrufbar.
Lire, Kronen und Peseten
Seit 1962 boomten die Umsätze am Devisenschalter der Würzburger Stadtsparkasse
Das deutsche Wirtschaftswunder brachte den Deutschen auch die Reiselust zurück: Gönnte sich 1954 nur jeder Vierte eine Urlaubsreise, so war es 1961 schon fast jeder Dritte. 1963 garantierte dann das Bundesurlaubsgesetz wenigstens 18 Tage Urlaub, und 1964 führte die Metallbranche das Urlaubsgeld ein. Die Sparkassen standen bereit, um die Reisenden mit den nötigen Lire, Kronen, Franken und Peseten zu versorgen. Bereits im Sommer 1962 standen in Würzburg bisweilen 20 Personen gleichzeitig am Devisenschalter, um sich mit Fremdwährungen einzudecken. Mit durchschnittlich 800 Mark tauschten die Würzburger ein Fünftel mehr um als im Vorjahr – die meisten für eine Reise nach Österreich. Gefolgt wurde der damalige Ferienfavorit von Italien, der Schweiz und Spanien. Auch für die zahlreichen Würzburger Gastarbeiter war der Devisenschalter ein wichtiger Anlaufpunkt. Die zunehmende Mobilität der Würzburger schlug sich auch im Devisenangebot der Sparkassen nieder. Bis zu 25 ausländische Währungen hatte sie in der Hauptsaison 1974 vorrätig.
Mehr Zeit für Service
1964 hielt der Computer Einzug in die Städtische Sparkasse
Es ist im Smartphone-Zeitalter schwer vorstellbar, welche Arbeit es einmal bedeutete, Buchungen manuell zu berechnen und am Monatsende zu Kontoauszügen zusammenzustellen. Additionsmaschinen waren die einzige Erleichterung für eine sonst eintönige Fleißarbeit. So saßen die Mitarbeiter der Zweigstelle Zellerau vier Stunden daran, die 3.000 Konten ihrer Kunden zu buchen. Da war es eine Erleichterung, als die Städtische Sparkasse 1964 einen Computer anschaffte. Der IBM 1401, ein transistorbasierter, mit Kernspeicher ausgestatteter Rechner, bestand aus schrankgroßen Teilen und bearbeitete die Zellerauer Konten in gerade einmal 20 Minuten. Schon 1970 folgte mit dem IBM 360/30 ein modernerer Rechner. Mit seinen vier Platten- und zwei Bandspeichern arbeitete er in zwei Stunden 70.000 Geschäftsvorgänge auf 30.000 Konten ab. Die Additionsmaschinen waren jetzt bereits mit dem Computer verbunden. An den Schaltern standen Ein- und Ausgabegeräte, die per Telefonleitung auf die Leistung des Rechners zugriffen. Das beschleunigte den Service und verbesserte ihn auch. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten sich jetzt mehr um die Bedürfnisse der Kunden kümmern.
Karriere als Sparkassendirektorin
1965 wurde Direktorin Hildegard Fischer verabschiedet
„So viele prominente Persönlichkeiten von Staat, Industrie, Wirtschaft, Handel, Gewerbe sowie weiterer einschlägiger Organisationen“ waren Anfang Dezember 1965 zur Verabschiedung Hildegard Fischers in die Kreissparkasse gekommen, dass sich die Ochsenfurter Zeitung außerstande sah, „all deren Namen und Stand zu veröffentlichen.“ Seit ihrem Antritt als Assistentin im Jahr 1929 hatte sie die Kreisparkasse Ochsenfurt als Kreditsachbearbeiterin, Innenrevisorin, seit 1943 als stellvertretende Leiterin und ab 1962 als Direktorin engagiert und mit viel Fachwissen und Können vorangebracht. Sie war eine Frau ohne Familie, die in ihrem Beruf aufgegangen war. Nach Kriegsende wurde sie zunächst entlassen und 20 Monate in verschiedenen Internierungslagern festgehalten. Ihre Mitgliedschaften in der NS-Frauenschaft, in der NSDAP und weiteren NS-Organisationen hatten sie in den Augen der Alliierten verdächtig gemacht. Ihre Erläuterungen und entlastende Aussagen überzeugten 1948 eine Spruchkammer. Nach einer Geldsühne von 1.000 Reichsmark wurde sie 1948 wieder angestellt.
Fußball und Fasching
1965 gründeten 140 Sparkassenmitarbeiter die Betriebssportgemeinschaft
Ob Bayer 04 Leverkusen oder Dynamo Dresden: Manch großer Sportverein trägt den Hinweis auf seine betrieblichen Wurzeln im Namen. So auch die Betriebssportgemeinschaft (BSG) der Städtischen Sparkasse Würzburg. Am 5. November 1965 hatte Günter Mark zur Gründungsversammlung in die Kantine eingeladen. Mit 140 Mitgliedern wurde losgelegt. Nacheinander entstanden Abteilungen für alle Interessen. Legendär wurde der seit 1971 veranstaltete BSG-Fasching. Nach 25 Jahren waren Mitarbeiter in den Abteilungen Hallenfußball, Damengymnastik, Sportkegeln, Fußball, Tennis, Wandern, Jogging, Skilanglauf, Ski alpin, Tischtennis, Squash und Volleyball aktiv. Im Jubiläumsjahr 1990 organisierten sie einen „Tag des Sports“ mit Abendveranstaltung, eine Jubiläumswanderung, ein Tennis-Nachtturnier, eine Ausflugsfahrt zu einem Bundesligaspiel und ein internes Fußballturnier. Neben anderen Vergleichswettkämpfen maß man sich auch mit den Kollegen der Partnersparkasse im französischen Caen. Außerdem übernahm die BSG die Ausrichtung des unterfränkischen Fußballturniers der Sparkassen 1991.
Erstes Drive-in im Frauenland
1965 eröffnete in der neuen Zweigstelle Frauenland der erste Autoschalter
Ein Neubau muss architektonisch und funktional auf der Höhe der Zeit sein, dachte sich die Städtische Sparkasse Würzburg, als es um ein größeres Domizil für die Hauptzweigstelle Frauenland ging. Mit ihren 2.000 Privat- und Geschäftskonten, dazu noch 6.000 Sparkonten, war es in den gemieteten Räumen in der Wittelsbacherstraße zu eng geworden. Also legte sich der Architekt ins Zeug und schuf ein kubistisch geschachteltes Gebäude mit farblich dunkel gehaltenem Erdgeschoss und weißem Obergeschoss. Baubeginn war im September 1964. Die 450 Quadratmeter große Schalterhalle kam ohne Stützen aus; acht elektrisch betriebene Lichtkuppeln sorgten für Helligkeit und Frischluft. Der Clou aber waren zwei Autoschalter auf der Gebäuderückseite. „Man braucht also – kommt man mit dem Auto zur Sparkasse – nicht mehr auszusteigen und ist zudem aller Parkplatzsorgen enthoben“, schrieb die Main-Post anerkennend. Dies wohl auch, weil erst drei Jahre zuvor das erste Drive-in-Restaurant Deutschlands in Hannover eröffnet hatte. Neben Schalterhalle und Büros bot das Haus Platz für eine Arztpraxis, zwei Wohnungen und die neue Polizeiwache Frauenland. Zur Einweihung im Sommer 1965 fuhr Oberbürgermeister Helmuth Zimmerer am Autoschalter vor und nahm von Sparkassendirektor Ernst Häußner durchs Fenster einen Scheck fürs Stadttheater entgegen.