44 Einblicke in unsere Geschichte
Frauen stehen ihren Mann
Ab 1939 hielten weibliche Aushilfen die Sparkassen arbeitsfähig
Der Beginn des Zweiten Weltkriegs veränderte auch die Arbeitswelt. Wehrfähige Männer wurden zur Wehrmacht eingezogen oder meldeten sich freiwillig. Fachkräfte, die in ihrer Funktion unabdingbar waren, wurden zunächst nicht eingezogen. Das änderte sich jedoch mit Fortschreiten des Krieges. Standen im ersten Kriegsjahr 1939 rund 4,5 Millionen deutsche Soldaten im Feld, wuchs die Zahl bis 1943 auf rund 9,5 Millionen an. „Nach und nach wurden, mit dem Sparkassenleiter angefangen, alle männlichen Kräfte eingezogen“, heißt es in der Chronik der Kreissparkasse Gemünden. In der damaligen Kreissparkasse Marktheidenfeld-Stadtprozelten mussten von den 15 Mitarbeitern elf den Anzug gegen die Uniform eintauschen. Wie auch in anderen Betrieben übernahmen Frauen deren Aufgaben. Sie saßen an den Rechenmaschinen, sie bedienten die Kunden und übernahmen Feuerwehr- und Luftschutzaufgaben. Das blieb oft auch über den Krieg hinaus so, denn mehr als fünf Millionen deutsche Soldaten waren gefallen, zwölf Millionen in Gefangenschaft. In Gemünden kehrten drei Sparkassenangestellte nicht aus dem Krieg zurück und in Ochsenfurt lebten noch 1948 rund 30 Prozent mehr Frauen als Männer. Auch wenn viele weibliche Mitarbeiter in den Nachkriegsjahren wieder in den Haushalt zurückkehrten: Ab jetzt gehörten Frauen auch hinter den Schaltern zum gewohnten Bild.
„Ich war ein Glückskind!“
Fast 50 Jahre, von 1941 bis 1990, arbeitete Josef Lauer in der Städtischen Sparkasse Würzburg
Sein ganzes Arbeitsleben hat der Würzburger Josef Lauer der Sparkasse gewidmet. 1941 begann der damals 14-Jährige nach acht Schuljahren seine Lehre bei der Würzburger Sparkasse. 1990 schied er als Leiter der Verwaltungsabteilung aus. Die Lehre des heute 95-Jährigen endete bereits im September 1943 statt im April 1944 – weil die Älteren der sechs Auszubildenden zur Wehrmacht einberufen wurden. Er selbst entkam im April 1945 glücklich seinem Kriegseinsatz beim Reichsarbeitsdienst. Schon am 7. Mai, einen Tag vor der Kapitulation, nahm er die Arbeit bei der teilzerstörten Sparkasse wieder auf. Er war dabei, als aus angesengten Papieren die Konten wiederhergestellt wurden. Er arbeitete zu Silvester 1946 bis kurz vor Mitternacht am Jahresabschluss, stieß dann mit seinen Kollegen auf Neujahr an und schrieb am ersten Januar um sechs Uhr weiter. Er erlebte, wie die Menschen bei der Währungsreform im Juni 1948 bis in den ersten Stock Schlange standen, um ihre 40 D-Mark Kopfgeld abzuholen. Später arbeitete der ambitionierte Hockey- und Tischtennisspieler in der Zweigstelle Sanderau, wechselte in die Spargiroabteilung, wurde Leiter der Zahlungsverkehrsabteilung und schließlich der Verwaltungsabteilung. „Dienstbeginn war um sechs Uhr, da wurde die Post sortiert“, erinnert er sich. Die zwei- und dreistelligen Kontonummern der Großkunden hat er bis heute im Gedächtnis. Ebenso Faschingsfeiern und Betriebsausflüge. Überlebt und viel erlebt zu haben fasst Josef Lauer in einem Satz zusammen: „Ich war ein Glückskind!“
© Privatarchiv Familie Lauer
© Staatsarchiv Würzburg, LRA Marktheidenfeld, Sig. 4310
Das grausame Schicksal der Eheleute Guttmann
1942 wurde das Marktheidenfelder Ehepaar Samuel und Rosa Guttmann deportiert
Alte Kundenlisten der Sparkasse Marktheidenfeld nennen auch Opfer des Nationalsozialismus. Stellvertretend für sie sei der gut dokumentierte Leidensweg des Ehepaars Guttmann erzählt. Der am 4. April 1888 in Karbach geborene Viehhändler Samuel Guttmann lebte seit 1925 in Marktheidenfeld, wo er das Postbräu-Anwesen in der Obertorstraße erwarb und ein Konto bei der Sparkasse unterhielt. Verheiratet war er mit Rosa Guttmann, die am 10. November 1888 in Laudenbach geboren wurde. Mit der „Arisierung“ genannten Entfernung der Juden aus dem Wirtschafts- und Berufsleben wuchs seit 1938 der Druck auf ihn, sein Haus zu verkaufen. Der herzkranke und an der Berufsausübung gehinderte Händler weigerte sich zunächst, musste die Gebäude dann aber unter Wert hergeben und mit seiner Frau Rosa zwei Zimmer beim ebenfalls jüdischen Viehhändler Freimark beziehen. Als Verkäufer hatte Guttmann die Gebühren und die Reichsfluchtsteuer zu entrichten. Der Erlös floss später dem Deutschen Reich zu. Ackerland, das er noch gemeinsam mit seinem Bruder Josef in Karbach besaß, wurde an die Bayerische Bauernsiedlung GmbH in München und an Nachbarn zwangsveräußert. Im April 1942 erfasste die dritte Deportation jüdischer Bürger aus Mainfranken auch das Ehepaar Guttmann. Innerhalb weniger Tage hatten sie ihre verbliebenen Wertsachen abzuliefern und ihre Wohnung zu räumen. Am 23. April wurde Rosa Guttmann mit anderen in Bussen nach Würzburg in das Lokal „Platz‘scher Garten“ gebracht. Weil Samuel Guttmann nicht transportfähig war, musste er sich auf eigene Kosten im Mietauto bringen lassen. Von dort wurden sie und tausend andere mit der Bahn ins Ghetto der ostpolnischen Stadt Krasniczyn gebracht und im Juni 1942 im Raum Lublin ermordet.
Ende und Neubeginn
Bei der Zerstörung Würzburgs im Zweiten Weltkrieg wurde auch das alte Sparkassengebäude dem Erdboden gleich gemacht
Das Ende für Würzburg kam am 16. März durch einen Großangriff der britischen Royal Air Force. In kaum zwanzig Minuten war alles vorbei. Spreng- und Brandbomben vernichteten, was in Jahrhunderten erbaut worden war. Wer nicht unmittelbar nach dem Angriff aus den Kellern herausgekommen war und ins Glacis oder an den Main gelangen konnte, verbrannte oder erstickte im Feuersturm. Der Ostflügel der Sparkassen-Hauptstelle und die Zweigstellen Heidingsfeld, Grombühl und Sanderau brannten völlig aus. Drei Mitarbeiter verloren dabei ihr Leben. Der stolze Sparkassenbau Fischers war zur Ruine inmitten einer Ruinenlandschaft geworden. Der gesamte Maschinenpark, Kassen und Bücherschränke sowie wertvolle, teils unersetzliche Unterlagen waren unter den Trümmern begraben. Die Tresoranlage einschließlich der darin verwahrten rund 70.000 Sparkonten hatten die Fliegerangriffe und Kampfhandlungen unversehrt überstanden. Für den Weiterbetrieb der Sparkasse mussten Noträume gefunden und eingerichtet werden. Als die Kampfhandlungen Ende März sich der Stadt genähert hatten, hatte auch die Sparkasse ihre Arbeit einstellen müssen. Am 31. März erreichte die US-Armee die Stadt. Jegliches zivile Leben war vorbei. Sechs Tage wurde in den Trümmern gekämpft. Schon am 10. April 1945 konnte das Restpersonal in der damaligen Mozartschule (Annastraße) seinen Dienst wieder beginnen. Der Wurfzettel des Oberbürgermeisters Nr. 8 vom 27. April teilte mit, dass die Schalter der Städtischen Sparkasse in der Mozartschule, Zellerau und Heidingsfeld ab Montag, den 30. April von 9 bis 12 Uhr für den Kundenverkehr geöffnet sein werden. Langsam kam das Leben in die Stadt zurück.
Den Pfennig ehren lernen
1949 thematisierte die „Sparkassenrundschau“ bereits den Konsum der Kinder
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs gab es zwar Geld, aber wenig Ware. Was über die rationierten Lebensmittel hinausging, musste mit Reichs- oder alliierter Militärmark teuer bezahlt oder auf dem Tauschweg beschafft werden. Die Währungsreform 1948 zwang die Menschen zum Umdenken. Plötzlich war das Geld wieder etwas wert – aber es war knapp. Und in den Geschäften lockten von einem Tag auf den anderen Waren in Fülle. Die Tugend des Sparens wurde wieder wichtig. Eine Ausgabe der „Sparkassenrundschau“, welche die Kreis- und Stadtsparkasse Kitzingen ihren Kunden im Dezember 1949 schenkte, widmete sich dem Phänomen aus Kinder- und Elternsicht. Über die Wünsche der Kleinen ließ sich kurz vor Weihnachten leichter und anschaulicher schreiben als über die Hoffnungen der von Kriegs- und Nachkriegszeit ausgezehrten Erwachsenen. „Dass jeder Pfennig seinen Wert hat“, solle man seinen Kindern jetzt klar machen, „weil sie vor der Währungsreform die Geldscheine lose in der Tasche trugen und sich kaufen konnten, was sie wollten“. Die Empfehlung: Kinder sollten bis zum zehnten Geburtstag gar kein Taschengeld, danach „in der Woche ein oder zwei Zehner zur freien Verfügung“ bekommen. Gemeint waren Pfennige.