„Ich möchte Lichtblicke schenken“
Als Teilnehmerin von „Germany‘s Next Topmodel“ sorgte die 31-jährige Würzburgerin Anna-Lena Schubert vor zehn Jahren für Aufsehen. Nun macht sie eine Ausbildung zur Pflegefachfrau. Welche Erfahrungen sie dazu motivierten, was ihre Familie dazu sagt und auf was sie sich während der Ausbildung besonders freut, verrät sie im Interview.
„Ich möchte Lichtblicke schenken“
Als Teilnehmerin von „Germany‘s Next Topmodel“ sorgte die 31-jährige Würzburgerin Anna-Lena Schubert vor zehn Jahren für Aufsehen. Nun macht sie eine Ausbildung zur Pflegefachfrau. Welche Erfahrungen sie dazu motivierten, was ihre Familie dazu sagt und auf was sie sich während der Ausbildung besonders freut, verrät sie im Interview.
Frau Schubert, „Ausbildung zur Pflegefachfrau“: Das klingt nicht so glamourös wie ein Leben als TV-Model. Warum finden Sie den Job dennoch attraktiv? Mir liegt das Soziale und mich interessiert das Medizinische. Seit Januar durfte ich als Hilfskraft im Pflegefachbereich Erfahrungen sammeln. Das hat mir sehr gut gefallen, weswegen ich mich dazu entschieden habe, die Ausbildung aufzunehmen. Warum haben Sie sich für Ihren jetzigen Arbeitgeber entschieden? Ein wichtiger Punkt für mich war, dass er sich als familienfreundlich positioniert. Das kommt mir als alleinerziehender Mutter sehr entgegen. Das Modeln betreibe ich längst nicht mehr so intensiv wie früher. Wegen meiner Tochter brauche ich ein stabiles Arbeitsumfeld mit einem geregelten Tagesablauf. Meine Tochter hat mich geerdet und mir gezeigt, was wirklich wichtig ist im Leben. Das hat mir sehr geholfen, eine gesunde Einstellung in diesen Beruf mitzubringen. Als Teilnehmerin von „Germany‘s Next Topmodel“ haben Sie die Glamourwelt kennen gelernt, waren an der Seite von Superstars zu sehen, reisten in der ganzen Welt umher, standen für bekannte Modelabels vor der Kamera – mit welchen Gefühlen denken Sie an früher zurück? Das alles waren Erlebnisse, die ich nicht missen möchte. Es gab so viele positive Dinge, die mein Leben beeinflusst haben, und Herausforderungen, an denen ich gewachsen bin. Aber es ist auch ein Kapitel, das ich abgeschlossen habe. Worin unterscheidet sich diese Glamourwelt am meisten von Ihrem jetzigen Beruf? Pflege ist ein harter Beruf, körperlich und seelisch. Man muss sich Zeit nehmen und zurückstecken. Ich arbeite hier mit Menschen, die Hilfe benötigen und auf mich angewiesen sind. Das erfordert Geduld, Empathie, Aufmerksamkeit und Verantwortungsbewusstsein. Ehrlich gesagt, wäre dieser Beruf vor zehn Jahren nichts für mich gewesen. Da war ich viel zu sehr auf mich bezogen. Es war meine Tochter, die mich gelehrt hat, auch für andere Menschen da zu sein. Und dafür bin ich sehr dankbar. Was lernt man in der Ausbildung? Ich durchlaufe eine generalistische Ausbildung in drei Bereichen: Krankenpflege, Altenpflege und Kinderpflege. Hierfür bin ich in Krankenhaus, Kinderheim, Seniorenheim und Hospiz tätig. Alle zwei Wochen schließen sich theoretische Unterrichtsblöcke an. Ich freue mich dabei auf drei Jahre voller Eindrücke, es wird eine interessante und abwechslungsreiche Zeit. Das Schöne an dem Beruf ist, dass man danach sehr viele Möglichkeiten hat, als was und wo man später arbeiten will. Können Sie nach der Arbeit abschalten? Nein, nicht wirklich. Ich nehme die Begegnungen und Erlebnisse mit nach Hause und reflektiere sie intensiv. Es macht mich nicht fertig, aber ich spüre, wie ich nachdenklicher geworden bin. Wie ist es, alt zu werden? Was macht das mit einem, wenn alle Freunde und Familienmitglieder gestorben sind und man der einzige ist, der noch lebt? Wie geht man mit dem eigenen, herannahenden Tod um? Diese Fragen bewegen mich. Welche Aufgaben machen besonders viel Spaß? Ich versuche, Freude zu bereiten und da zu sein. Oft sind es traurige Menschen, die allein sind, weil ihre ganze Familie und ihre Freunde längst gestorben sind. Während der Coronakrise, als ein Besuchsverbot herrschte, war es besonders schlimm. Manche haben sich aufgegeben und sagen, nur noch hier zu sein, um zu sterben. Hier möchte ich ihnen Lichtblicke schenken und ihr Sonnenschein sein. Sie sollen das Gefühl haben, dass sie nicht allein und gut aufgehoben sind. Im Übrigen sind diese Situationen auch für die Angehörigen schlimm. Auch ihnen muss Aufmerksamkeit geschenkt werden, man muss sie beruhigen und ihnen Sicherheit geben.
Welche Aufgaben gefallen Ihnen nicht? Am Anfang dachte ich, zum Beispiel mit den Gerüchen nicht klarzukommen. Aber das hat sich zum Glück nicht bestätigt. Was aber definitiv nur schwer zu bewältigen ist, das sind Begegnungen mit Menschen, die kurz vor dem Tod stehen. Eine Frau, die ich betreuen durfte, litt an drei Krebsarten. Sobald ich ihr Zimmer betrat, empfing mich der Geruch von Tod. Ich hatte diesen Geruch vorher nicht gekannt, aber er ist unverwechselbar und das war echt heftig beim ersten Mal. Welche Rückmeldungen haben Sie aus dem Familien- und Bekanntenkreis erhalten? Alle finden das gut. Als Kind hatte ich eine Pflegeoma, sie hatte meiner Mutter einst gesagt, dass ich später einmal in der Pflege arbeiten werde. Das hat mir meine Mutter erst vor kurzem erzählt. An ihrer Einschätzung war also etwas dran. Rückblickend sehe ich, dass ich, nach all den Stationen, die ich in meinem Leben durchlaufen habe, jetzt genau das gefunden habe, was ich gut kann. Das merke ich unter anderem daran, weil ich morgens aufstehe, ohne genervt zu sein. Ich freue mich auf den Tag und die Arbeit und die Begegnungen, die mich erwarten. Die sehr reale und bodenständige Arbeit balanciert mein Leben aus, das bislang eher von kreativer Arbeit geprägt war. Ich habe etwas gefunden, das in meinem bisherigen Leben gefehlt hat. Wird der Beruf in der Öffentlichkeit zu wenig gewürdigt? Was würden Sie sich in der öffentlichen Wahrnehmung wünschen? Man muss unterscheiden. In der öffentlichen Wahrnehmung erfährt der Beruf ausreichend Würdigung, finde ich. Die meisten Menschen wissen, dass dieser Job hart ist. Von der Politik hingegen wird er nicht ausreichend gewürdigt. Das sieht man am Lohn. Man verdient ja nicht schlecht, aber für die Arbeit, die man leistet, ist das Geld zu wenig. Hier müsste man ansetzen, dann wäre der Beruf für viele Menschen attraktiver. Was möchten Sie denjenigen mitteilen, die vielleicht gerade überlegen, eine Ausbildung in der Pflege zu wählen? Nur wer’s probiert, weiß, wie’s schmeckt. Ich empfehle daher jedem, der sich für diesen Beruf interessiert, vorab ein Praktikum zu machen. Dann sieht man, ob man geschaffen ist für diesen Job. Es ist wichtig, dass sich auch weiterhin Menschen für diese Arbeit entscheiden, denn jeder von uns möchte im Alter jemanden haben, der sich um einen kümmert. Und irgendeiner muss da sein, wenn Freunde und Familie fehlen. Ich jedenfalls bin sehr gerne für meine Bewohner da.