Längst noch kein „altes Eisen“
In Kürnach werden neue Angebote für jung gebliebene Senioren gestrickt
Das Bild vom Senior, der sich mit 65 Jahren zurückzieht, ist längst nicht mehr zeitgemäß. 65-Jährige fühlen sich heute jung. Sie wollen aktiv sein und sie sind aktiv. Selbst mit 80 Jahren gehört man noch nicht zum alten Eisen. „In meiner Nachbarschaft wohnen viele Leute 80+, und alle sind im Kopf topfit“, sagt Otto Rüger. Der ehemalige Seniorenbeauftragte und Gemeinderat der Gemeinde Kürnach zählt inzwischen selbst 71 Jahre. Dennoch und zurecht fühlt er sich in keiner Weise „alt“.
Auch Kürnachs Bürgermeister René Wohlfart kann die Hypothese widerlegen, dass „alt sein“ gleich „hilfsbedürftig“ wäre. Neulich, erzählt er, war er zur Feier eines 70. Hochzeitstages eingeladen. „Ich war begeistert vom Lebenswitz des Paars“, schwärmt er. Die Feier selbst war ausgelassen, die Stunden verflogen. Das Geschenk der Gemeinde an das betagte Jubelpaar bereitete große Freude, weil es sich eben nicht um den klassischen Bocksbeutel, den man „gemütlich“ auf dem Sofa genießt, handelte. „Wir verschenkten Ausflugsgutscheine“, so Wohlfart. Ist doch das Ehepaar nach wie vor äußerst unternehmungslustig.
René Wohlfart, 48 Jahre jung, ist es sehr wichtig, mit Senioren auf Augenhöhe zu verkehren. Deshalb plant er, einen Seniorenbeirat in Kürnach einzurichten. Bislang teilten sich Sieglinde Bayerl, ehemalige 2. Bürgermeisterin, und Otto Rüger, ehemaliges Gemeinderatsmitglied, diese Aufgaben. Seit der letzten Kommunalwahl fungieren 2. Bürgermeisterin Susanne John und Gemeinderätin Eva Pfenning als Seniorenbeauftragte. Beide würden sich wünschen, dass ihre Arbeit in Zukunft durch einen Seniorenbeirat ergänzt wird. „Ich denke, die Hemmschwelle, sich an einen Beirat zu wenden, ist niedriger, als mit seinem Anliegen den Bürgermeister zu kontaktieren oder in die Gemeinderatssitzung zu kommen“, sagt Susanne John.
Auch die stationäre und ambulante Versorgung von pflegebedürftigen Senioren lässt nichts zu wünschen übrig. 2012 wurde das „Seniorenzentrum Kürnach“ eröffnet. 49 Senioren leben hier in drei familiären Wohngemeinschaften namens „Waldblick“, „Sonnenblick“ und „Rosengarten“. Betrieben wird die Einrichtung von den Senioreneinrichtungen des Landkreises Würzburg. Mit „Am Mühlental“ existiert das Service-Wohnen. Die Caritas-Sozialstation St. Gregor Fährbrück bietet in Kürnach einen ambulanten Pflegedienst sowie eine Tagespflege an. Letztere hat 22 Plätze und befindet sich seit 2014 direkt gegenüber der Mehrzweckhalle.
| Im Alter nicht entwurzelt
Für Sieglinde Bayerl ist das Seniorenzentrum von großer Bedeutung. „Damit verhindern wir, dass Kürnacher Bürger im Alter entwurzelt werden“, sagt die ehemalige Seniorenbeauftragte. In ihrer Funktion als Vorsitzende des 2011 gegründeten „Freundeskreis Seniorenzentrum Kürnach“ setzt sich die 63-jährige Landwirtschaftliche Betriebsleiterin dafür ein, dass auch Senioren, die im Heim wohnen, am sozialen Leben teilhaben können. In den vergangenen Jahren bescherten sie und ihre 50 Mitstreiter den Senioren aus dem Zentrum viele tolle Erlebnisse. Ein Highlight der letzten Zeit war der Besuch von Lamas.
Die Ansicht, Heimbewohner wollen nur ihre Ruhe haben, stimmt überhaupt nicht, hat Sieglin-de Bayerl durch ihr Engagement erfahren. Im Gegenteil: Die Bewohner freuen sich über „Action“. Weshalb der Freundeskreis regelmäßig Ausflüge anbietet. „Wir waren zum Beispiel bei der Landesgartenschau in Würzburg, haben die Residenz besucht oder fahren mit dem Schiff“, zählt Sieglinde Bayerl auf. Alle Ausflüge werden so organisiert, dass Senioren mit Rollator oder im Rollstuhl problemlos mitmachen können.
Kürnachs rüstige Senioren treffen sich im örtlichen Café zu Kaffee und Kuchen, sie besuchen Kürnachs Restaurants und nehmen am Mittagstisch im Gasthaus Stern teil. Rege nachgefragt wird der Bürgerbus, der montags, mittwochs und freitags durch die Gemeinde tourt. „Wir bieten außerdem das APG-Seniorenabo an“, berichtet René Wohlfart. Mit dieser personalisierten Fahrkarte können Senioren während der Schulzeit ab 9 Uhr und ansonsten ganztätig mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln so oft hin- und herfahren, wie sie möchten. Weil das Ticket von der Gemeinde bezuschusst wird, sparen die Senioren 20 Prozent im Vergleich zum „VVM-Spar-Abo persönlich“.
Setzen sich in Kürnach für Senioren ein (von links): Eva Pfenning, stellvertretende Seniorenbeauftragte und Gemeinderätin, Sieglinde Bayerl, Vorsitzende des Freundeskreises Seniorenzentrum Kürnach, Bürgermeister René Wohlfart, Kürnachs ehemaliger Seniorenbeauftragter Otto Rüger sowie die aktuelle Seniorenbeauftragte und 2. Bürgermeisterin Susanne John.
Kürnach bietet gerade für Senioren eine Menge.
Seit 2012 können Kürnachs Senioren wohnortnah gepflegt werden.
| Senioren-WG als Wunsch
Kürnach hat für seine Senioren in den letzten Jahren bereits viel Gutes getan. Doch das Engagement soll weitergehen. So startete zu Jahresbeginn eine intergenerationelle Initiative für Bürgerinnen und Bürger, die sich in Sachen Computer fit machen möchten. Auch besteht der Wunsch, eine Senioren-WG zu gründen. Unterstützt wird diese Idee von der neuen Seniorenbeauftragten Eva Pfenning, die durch ihre Arbeit als gerontopsychiatrische Fachkraft bereits Erfahrungen mit dieser Wohnform gesammelt hat. „In solchen WGs haben ältere Menschen die Chance, sich gegenseitig zu unterstützen“, sagt sie. Es gibt noch ein Drittes, was auf den Weg gebracht werden soll, informiert René Wohlfart: „Wir möchten einen weiteren Hausarzt nach Kürnach holen.“ Außerdem wünschen sich vor allem die aktiven Senioren mehr Ruhebänke. Denn manche Spazierwege, so Otto Rüger, sind doch sehr weit. Da wäre es schön, zwischendurch rasten zu können.
Hintergrundbild: Bei einer Veranstaltung mit der Tagespflege Kürnach wurden auch tierische Gäste empfangen.
Das Gasthaus Stern lädt Senioren zum Mittagstisch.
Auch die Kirchengemeinden haben attraktive Angebote für Senioren.
Die Caritas-Sozialstation St. Gregor Fährbrück bietet in Kürnach einen ambulanten Pflegedienst und eine Tagespflege.
Weitere Infos
In Kürnach leben rund 5.000 Menschen. 820 sind über 65 Jahre alt, das sind etwas mehr als 16 Prozent. Damit ist Kürnach eine vergleichsweise junge Gemeinde: In vielen anderen Orten des Landkreises liegt die Quote der Senioren bei 20 Prozent. Die 779 erstmals urkundlich erwähnte Gemeinde zeichnet sich durch eine gute Infrastruktur, viele Freizeitmöglichkeiten und ein reges Vereinsleben aus.